Konzertkritik 2014
Ein Sommernachtskonzert, das mit ernsten Tönen aufwartete
Der Oratorienchor Olten überraschte am Sonntagabend in der Friedenskirche mit tiefsinniger Kirchenmusik.
Requiem und Trauermusik: Der Oratorienchor Olten überraschte am Sonntagabend in der Friedenskirche mit tiefsinniger Kirchenmusik – und einer 14-jährigen Solistin. Dieses Wagnis hat sich gelohnt.
von Peter Kaufmann
Es ist wohl eines seiner beliebtesten Werke: In seinem «Requiem», der kurzen, einprägsamen Totenmesse, hat der französische Komponist Gabriel Fauré (1845–1924) zu seinem eigenen, spätromantischen Ton gefunden, zu verstörend schönen Klangfarben und zu einer knappen musikalischen Form. In der sinfonischen Fassung, die erstmals 1900 an der Weltausstellung in Paris erklang, fehlt nach französischer Art der «Dies Irae»: Vom Tag des Zorns bleibt nur der zweite Teil übrig, die Anrufung des gütigen Jesu, «Pie Jesu», in der Mitte des Requiems.
Junges Talent überzeugte
In der Friedenskirche sang die erst 14-jährige Zuger Schülerin Eileen Butz den sanften Engelstrost. In ihrem ersten Auftritt ausserhalb ihres Wohnortes gefiel die blutjunge Sopranistin mit ihrer hellen Mädchenstimme, die sie in den hohen Tönen schon sehr sicher und klar führt, nur etwas verhalten in den Tiefen, die wohl erst noch zu erarbeiten sind: Es war ein schöner Kontrast zur Orgel (Brigitte Salvisberg), die in diesem Satz dominiert. Mit der Verpflichtung einer unbekannten, jungen Solistin ist der Chorleiter und Dirigent Christoph Moser zweifellos ein Wagnis eingegangen. Das gute Resultat spricht für sich. Warum Fauré auf den «Dies Irae» verzichten konnte, wird in andern Sätzen deutlich erkennbar. Immer wieder steigert sich der Chor in einen gewaltigen Aufschrei zu Gott wie etwa im «Libera me», das von den rund 100 Sängerinnen und Sängern des Oratorienchors Olten und der Cantica Nova Worb mit Bravour gemeistert wurde. Mit dem Solisten Christian Marthaler setzte Moser einen weiteren wichtigen Akzent: Die kräftige und dennoch weiche Stimme des Berner Baritons und Gesangslehrers gefiel in den Arien des «Requiems» genauso wie im Bass-Solo der dreiteiligen Choralkantate «O Haupt voll Blut und Wunden», die der 21-jährige Felix Mendelssohn Bartholdy 1830 über das bekannte Kirchenlied komponiert hatte. Auch dieses Werk bot dem motivierten Chor dankbare Aufgaben.
Hervorragende Begleitung
Von seiner besten Seite zeigte sich auch das bewährte Huttwiler Kammerorchester mit Konzertmeister Martin Kunz – zum einen als einfühlsame Begleiter des Chors und der Solisten, zum andern aber in zwei orchestralen Stücken unter der kompetenten Stabführung Christoph Mosers. Das musikalische Wunderkind Mendelssohn komponierte mit zwölf Jahren die Sinfonie Nr. 4 c-Moll. Den meist jungen Kammermusikern der Huttwiler Formation lagen hörbar die schnellen Vivace-Stellen dieser Jugendsinfonie besser als das melodiöse, breit ausgespielte Andante im 2. Satz, das weniger berührte. Dem Orchester glückte auch die ungewöhnliche «Maurerische Trauermusik» KV 477, die Wolfgang Amadeus Mozart 1785 komponiert und an einem Gedenkanlass für zwei adelige Wiener Freimaurer uraufgeführt hatte.
Bleibt noch ein letztes Werk zu erwähnen, das den Auftakt zum Sommernachtskonzert bildete. Als Abschlusswerk seiner Studien hatte der 19-jährige Gabriel Fauré 1864 mit der «Cantique de Jean Racine» op.11 die französische Übersetzung eines lateinischen Hymnus vertont. Das kurze Stück erlaubte es Chor und Künstlern, aber auch dem Publikum in der nicht ganz gefüllten Friedenskirche, sich aufs Kommende einzustimmen: auf ein anspruchsvolles Konzert voller Jugendlichkeit und meisterlicher Reife.
(Oltner Tagblatt)