Konzertkritik 2015
Ein Leckerbissen an Chormusik
Mendelssohn-Oratorium «Paulus» fand in Friedenskirche eine würdige Aufführung von Peter Kaufmann
Es berührte die Herzen: Zum Höhepunkt der Oratorium-Aufführung in der Oltner Friedenskirche wurde neben den grossartigen Chorpartien die Interpretation einer Bassarie. Der aus Solothurn stammende lyrische Bariton Patrick Oetterli sang vor der Pause eindringlich die Bitte des Paulus’ «Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte». Doch auch die andern Solisten waren hervorragend. Die in Thun lebende Beatrice Ruchti gefiel mit ihrer wunderschön geführten Sopranstimme und der Berner Tenor Christoph Metzger mit seiner hellen, aber kräftigen Stimme.
Erfolgreiche Kirchenmusik
Wie es sich aber für die Vertonung einer religiösen Erzählung gehört, beginnt «Paulus» mit einem Loblied des Chores auf Gott und einem Choral. Doch dann kommt der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) direkt zur Sache: Das gut zweistündige Oratorium behandelt die Konflikte zwischen den Juden und den Christen in der Frühzeit der Christenheit. Es ist ein Thema, das Mendelssohn besonders am Herzen liegt: Der Sohn einer jüdischen Hamburger Familie trat mit 13 Jahren zum Christentum über. Das musikalisch klar gegliederte, zweiteilige Oratorium wurde im Mai 1836 in Düsseldorf uraufgeführt und noch im gleichen Jahr in überarbeiteter Form in Liverpool, Boston und Paris nachgespielt – es war eines der erfolgreichsten kirchenmusikalischen Werke jener Zeit und ist bis heute ein viel gespieltes Stück mit dankbaren Aufgaben für einen grossen Chor.
Dramatische Handlung
«Dieser Mensch hört nicht auf zu reden Lästerworte»: Gleich zu Beginn des Oratoriums wird die Hauptthematik angeschlagen. Energisch verlangt die Menge, dass Stephanus, der Diakon der christlichen Jerusalemer Urgemeinde, gesteinigt wird. Erst nach dem Tod des christlichen Märtyrers fällt nebenbei der Name des Rabbiners Saulus, der Name eines gelehrten Mannes, der die Christen unerbittlich bekämpft. Auf dem Weg nach Damaskus erscheint ihm dann Jesus in einer Lichtgestalt. Saulus erblindet und bittet Gott tief erschüttert um Gnade und Güte. Und siehe da: Aus Saulus wird Paulus, er erhält sein Augenlicht zurück, lässt sich taufen und predigt fortan das Christentum.
Zweiter Märtyrertod
Mendelssohns «Paulus» ist nicht, wie der Titel vermuten lässt, die blosse Lebensgeschichte des Heiligen Paulus: Über den Menschen Paulus erfahren wir nur wenig. Im zweiten Teil variierte der Komponist vielmehr die zuerst am Beispiel von Stephanus dargestellte Thematik des christlichen Predigers, der auf Ablehnung stösst: Als «Botschafter an Christi statt» verkündet der geläuterte Paulus mit seinem Begleiter Barnabas auf seinen Missionarsreisen das Wort Gottes. Paulus ahnt seinen Märtyrertod voraus und nimmt resigniert diese Opferrolle an. Und wieder ist es der Chor, der trotz allem zum Schluss kräftig und markant das Lob Gottes singt.
Die über 80 Sängerinnen und Sänger des Oratorienchores Olten und der Cantica Nova Worb sangen prägnant und klangstark in den Fortestellen, klangen indessen vielleicht etwas zurückhaltend in den leiseren Partien. Zu den beiden vorzüglichen Chorklangkörpern, die seit vielen Jahren unter der Leitung des erfahrenen Worber Dirigenten Christoph Moser stehen, stiess erneut das renommierte Huttwiler Kammerorchester – dem Chorwerk entsprechend mit einer grossen Bläsergruppe.
Alles in allem: Ein Sommernachtskonzert, das begeisterte.